Wildwuchs
"Es kumpt ayn Schiff geladen"
von Tom John Wolff
Das Werk kommt mit hohem Anspruch daher: Historische Weihnachtsmusik
vom Mittelalter bis ins 17.Jh. wird auf traditionellem Instrumentarium
und a capella vorgetragen - fernab der alljährlichen Konsumgruftlitaneien
zwischen Bratwurstbuden und Glühweinbrodem. Man will den ursprünglichen
Gehalt der Weihnachtsbotschaft vermitteln. Dabei darf jedoch Authentizität
nicht immer Rechtfertigung für den von Wildwuchs selbst als
"kräftig rauh" bezeichneten Klang sein. Dieser äussert
sich an mancher Stelle in mittelaltermarkt- typischen Intonations-schwächen
und unsauberem Zusammenspiel.
Auf 22 Seiten des Bookletts erfährt man neben allerhand
Wissenswertem auch historische Erläuterungen zu jedem der 20
dargebotenen Titel, sowie deren Liedtexte.
Die Auswahl und Interpretation der Stücke soll aufzeigen, wie
sich Melodien und Texte den Bedürfnissen der jeweiligen Zeit
anpaßten.
Auf die Mittelaltermusik-Szene der Historienmärkte bezogen,
spielt Wildwuchs zweifelsohne schon in der Oberliga.
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Jedoch im Hinblick auf den genre- übergreifendenden künstlerischen
Anspruch der CD fallen dem verwöhnteren Ohr immer wieder die
kleinen aber deutlichen stimmlichen und intonationsbezogenen Ecken
und Kanten der Darbietung auf. Sie durchbrechen den ungetrübten,
quasi paradiesischen Hörgenuß, insbesondere der mehrstimmigen
a capella Gesänge.
Das historisch-musikalische Feld dieser CD ist dermaßen weit
abgesteckt, dass es zwangsweise schon von Spezialisten anderen Kalibers
abgegrast wurde, gegen die Wildwuchs nun mal ein Leichtgewicht ist
(z.B. das Ensemble Amacord aus Leipzig).
Die CD ist ein interessanter Versuch der Grenzüberschreitung
von historisierender Unterhaltungsmusik hin zu feingliedrigem musikhistorischen
Hochgenuß. Die Entscheidung, ob dieser Ausbruch in die musikalischen
Sphären des reinen Genusses positiv zu bewerten ist oder ob
hier der Spruch gilt "Schuster bleib' bei deinen Leisten"
wird von uns sicher ganz unterschiedlich empfunden werden. Ich jedenfalls,
höre Wildwuchs gern zu,
und begrüsse jeden Versuch, persönliche musikalische Herausforderungen
einzugehen.
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